Naturerlebnisse an der Nordsee
Ostfriesland
Wir sind in Ostfriesland. Eine Region in Niedersachsen im äußersten Nordwesten Deutschlands. Die Landschaft ist geprägt von der Nordsee und dem Wattenmeer, das sich entlang der Küste erstreckt.
Hier leben die Ostfriesen, eine anerkannte Minderheit in Deutschland mit eigener Kultur und Sprache, wie die Sorben im Spreewald.
Die Vielseitigkeit Ostfrieslands
Neben dem Wattenmeer gibt es in Ostfriesland auch viele andere Landschaftsformen. Im Süden der Region erstrecken sich große Moore, die früher von der Tide beeinflusst wurden. Die Tide ist der ständige Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser an der Nordsee. Heute werden die Flächen landwirtschaftlich genutzt. Im Osten von Ostfriesland befindet sich das Ammerland, eine Region mit vielen Seen und Wäldern. Die Küste von Ostfriesland ist geprägt von langen Sandstränden, Dünen und Salzwiesen. Im Hinterland gibt es viele malerische Dörfer und endlose Felder.
Das Wunder des Wattenmeers
Das Wattenmeer ist ein einzigartiges Ökosystem, das durch Ebbe und Flut geprägt wird. Die Gezeiten beeinflussen das Leben der Tiere hier auf vielfältige Weise.
Das Wattenmeer im Rhythmus der Gezeiten
Die Zeit des ansteigenden Wassers, vom niedrigsten Wasserstand bis zum höchsten (dem Hochwasser) nennen wir Flut. Ebbe ist der Zeitraum zwischen Hoch- und Niedrigwasser (=Zeitpunkt, an dem der Wasserstand am niedrigsten ist).
Bei Ebbe trocknet das Watt aus und es entstehen Sandbänke und Priele. Bei Flut steigt das Wasser wieder an und bedeckt das Watt.
Priele sind Rinnen im Watt, die bei Flut schnell zu starken Strömungen werden können und so den Rückweg zum Festland abschneiden.
Wattwanderung im Weltnaturerbe
Wir erleben eine faszinierende Entdeckungsreise eines winzigen Teils des größten zusammenhängenden Wattgebiets der Welt, welches 2009 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde.
Eine Wattwanderung ist eine besondere Art, dieses Ökosystem hautnah zu erkunden. Am Wattwanderzentrum Ostfriesland beginnen wir unsere Tour mit einigen anderen. Zwei Stunden werden wir unterwegs sein und von Inga viel Wissenswertes über das Watt und seine Bewohner erfahren.
Für die Wanderung sind geschnürte Sportschuhe oder Beachies (Wattsocken) erforderlich. Eine Wanderung barfuß oder in Gummistiefeln wird nicht empfohlen.
Wir sind unterwegs. Noch sind unsere Füsse trocken. Die raue Schönheit der Nordsee breitet sich mit ihrer scheinbar unendlichen Weite vor uns aus. Ein Schritt in das Watt und unsere Schuhe versinken im weichen Untergrund. Es ist eine Herausforderung auf dem unebenen Boden zu laufen. Unsere Schuhe versinken im Schlick.
Die geheimnisvollen Bewohner des Schlicks und ihre Bedeutung für das Ökosystem
Unser Ziel sind Muschelbänke vor Carolinensiel-Harlesiel. Eine Ansammlungen von Muscheln auf dem Wattboden, die der einzelnen Muschel Halt geben. Gemeinsam widerstehen sie der starken Strömung. Losgerissene Muscheln droht Gefahr, an Land gespült zu werden oder im Watt zu versinken.
Die verschiedenen Muschelarten bilden einen wichtigen Lebensraum für viele Tiere.
Miesmuscheln gegen Pazifische Austern: Ein Kampf um Lebensraum und Nahrung im Wattenmeer Ostfrieslands
Das Wattenmeer ist ein einzigartiges Ökosystem, das von vielen Tier- und Pflanzenarten bewohnt wird.
Die Miesmuschel ist eine der bekanntesten und bedeutendsten Muscheln im Wattenmeer. Sie lebt im Gegensatz zu allen anderen Muscheln auf dem Boden und hat eine enorm hohe Filterleistung. Sie gilt als die Kläranlage der Nordsee.
Seit den 80er Jahren hat sich eine neue Muschelart im Wattenmeer ausgebreitet: die Pazifische Auster. Diese stammt ursprünglich von der Pazifikküste und wurde in Europa als Speisemuschel eingeführt. Die Pazifische Auster ist sehr anpassungsfähig und vermehrt sich schnell. Sie besiedelt vor allem die Muschelbänke der Miesmuscheln und verdrängt diese nach und nach.
Die Invasion der Pazifischen Auster ist wahrscheinlich unumkehrbar. Es gibt keine natürlichen Feinde oder wirksamen Bekämpfungsmethoden.
Die Folgen dieser Invasion sind noch nicht vollständig erforscht. Es gibt Hinweise für die Veränderung des Ökosystems des Wattenmeers. Die Pazifische Auster ist größer und schwerer als die Miesmuschel und bildet massive Austernriffe, die das Wattprofil verändern. Die Austernriffe sind weniger bewachsen als die Muschelbänke und bieten weniger Lebensraum für andere Tiere.
Watt für ein Schatz: Herzmuscheln
Herzmuscheln haben eine herzförmige Schale, die in verschiedenen Farben schimmert. Im ostfriesischen Watt leben sie in großen Mengen in Gruppen. Sie halten sich mit einem klebrigen Faden aneinander fest, um nicht von der Strömung oder den Wellen weggespült zu werden. Herzmuscheln bieten Schutz und Nahrung für viele andere Wattbewohner, wie Krebse, Würmer und Vögel. Die Weichtiere ernähren sich von Plankton und filtern das Wasser mit ihren Kiemen, um Nährstoffe aufzunehmen.
Sie haben viele natürliche Feinde, wie Austernfischer, Eiderenten, Seesterne und Krabben. Zur Verteidigung gegen Angreifer verschließen sie ihre Schalen, die sehr stabil sind und nur schwer geknackt werden können. Manche Herzmuscheln haben kleine Zähne an ihren Schalenrändern, mit denen sie sich gegen Eindringlinge wehren können.
Herzmuscheln sind für die Natur wichtig und auch eine beliebte Delikatesse in vielen Küstenregionen. In Deutschland ist das Fischen von Herzmuscheln verboten, um die Bestände und Artenvielfalt zu schützen. Restaurants greifen auf Zuchtmuscheln aus anderen Ländern zurück.
Herzmuscheln sind mehr als nur einfache Muscheln. Sie sind faszinierende Lebewesen, die das Watt bereichern. Vielleicht findest du bei deinem nächsten Strandspaziergang eine leere Herzmuschelschale und denkst an diese wunderbaren Tiere oder du verschenkst eine Herzmuschel als Symbol der Zuneigung. Was gibt es Romantischeres als ein Herz aus dem Meer?
Wattschnecken: Die schnellen und schlauen Helden des Wattenmeeres
Die Wattschnecken sind die heimlichen Helden des Wattenmeeres. Sie sind klein, unscheinbar und stecken voller Überraschungen.
Die Kleinsten können nicht nur auf dem Wattboden kriechen, sie surfen auch an der Wasseroberfläche. Mit einer Schleimflosse und einer Luftblase können sie sich von der Strömung treiben lassen und bis zu fünf Kilometer pro Stunde zurücklegen. Das ist schneller als manche Fische!
Feinde trachten ihnen nach dem Leben. Brandgänse, Regenpfeifer und Krebse fressen sie gerne, und Saugwürmer befallen sie oft massenhaft. Die Wattschnecken müssen ständig auf der Hut sein und sich bei Gefahr in den Sand eingraben. Sie warten auf die nächste Flut, die ihnen neue Nahrung bringt.
Wir blicken auf den Boden und sehen die unscheinbaren Bewohner massenhaft. Auf einem Quadratmeter Watt können bis zu 50 000 Wattschnecken leben. Sie fressen alles, was sie finden können. Wattschnecken verkleben den Sand mit ihrem Schleim und Kot. Es hilft dem Wattboden, stabil zu bleiben und Erosion zu vermeiden.
Die Wattschnecken sind spannende Tiere. Sie sind wichtige Ökosystem-Ingenieure, die das Wattenmeer gestalten und schützen.
Krabben oder Krebse? Die faszinierende Vielfalt der Krustentiere im Wattenmeer
Zu den bekanntesten Bewohnern des Wattenmeeres gehören die Krustentiere, die oft als Krabben oder Krebse bezeichnet werden. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen?
Die Meerestiere, die hier an der Küste Krabben (oder Porren) genannt werden, sind eigentlich Nordseegarnelen. Sie gehören zu den Zehnfußkrebsen, die fünf Beinpaare haben, von denen das erste zu Scheren umgebildet ist. Die Nordseegarnelen sind etwa 5 bis 7 cm lang und haben eine graubraune Farbe, die sich ihrer Umgebung anpasst. Sie ernähren sich von kleinen Tieren und Pflanzen im Wattboden und gehören auf dem Speiseplan von Fischen, Vögeln und Menschen.
Die eigentlichen Krabben sind rundliche Krebse mit kräftigen Scheren. Sie gehören zu den Mittelkrebsen, die vier Beinpaare und ein Schwanzsegment haben. Die bekannteste Art im Wattenmeer ist die Strandkrabbe, die bis zu 9 cm breit werden kann und eine grünliche bis rötliche Farbe hat. Die Strandkrabbe ist ein Allesfresser, der Muscheln, Schnecken, Würmer, Aas und Algen frisst. Sie ist eine wichtige Beute für Vögel oder Fische und auch ein gefürchteter Räuber für andere Wattbewohner.
Neben den Garnelen und den Krabben gibt es noch viele andere Krebstiere im Wattenmeer, die eine große Vielfalt an Formen, Farben und Lebensweisen aufweisen, wie der Einsiedlerkrebs, Schlickkrebs und andere. Sie alle sind faszinierende Anpassungskünstler, die das Ökosystem des Wattenmeeres bereichern und schützen.
Der Wattwurm: Ein Überlebenskünstler im Watt
Inga erzählt uns über die U-förmige Höhle, die sich der Wattwurm selbst gräbt und die sich etwa 3 cm unterhalb der Wattoberfläche befindet. Er bewegt sich durch wellenartige Bewegungen und erzeugt einen ständigen Wasserstrom, der von hinten nach vorne durch die Röhre fließt.
Unsere Wattwanderführerin sticht mit der Gabel in den Boden und holt den Zeitgenossen an die Oberfläche. Wir befeuchten unsere Haut, um den Wattwurm auf die Hand zu nehmen.
Der rotbraune Überlebenskünstler kann bis zu 40 cm lang werden und wiegt etwa 40 Gramm. Er besteht aus Kopf, Körper und Schwanz. Die Tentakel, die der Nahrungsaufnahme dienen, sind gut zu erkennen. Der Körper ist in Segmente unterteilt, in denen die inneren Organe liegen, wie Darm oder Kiemen.
Der Wattwurm ist bekannt für seine charakteristischen Kothaufen, die er auf dem Watt hinterlässt. Er filtert organische Stoffe aus dem Sand und trägt so zur Destabilisierung und Umwälzung des Wattbodens bei.
Für viele Tiere ist der Wattbewohner eine wichtige Nahrungsquelle. Austernfischer, der Knutt oder der Alpenstrandläufer haben lange Beine und spitze Schnäbel, mit denen sie den Wattwurm aus seiner Höhle locken. Fische, wie Hornhecht oder Aale fressen ihn auch gern.
Wattwanderung: Ein faszinierendes Naturerlebnis mit Risiken
Eine Wattwanderung ist nicht ohne Risiko. Es gibt einige Gefahren, die man kennen und vermeiden sollte, um eine sichere und schöne Wattwanderung zu genießen.
Die Flut
Eine der größten Gefahren ist die Flut. Das Wasser kommt schneller zurück, als man denkt, und schneidet den Rückweg ab. Am besten startet man zwei Stunden vor Niedrigwasser und macht sich bei auflaufendem Wasser wieder auf den Rückweg.
Die Priele laufen bei Flut voll. Ihre Strömung ist stark. Die Wasserläufe stellen selbst für geübte Schwimmer eine große Gefahr dar.
Nebel
Eine andere Gefahr ist der Seenebel. Er kann innerhalb von 20 Minuten die Sicht auf wenige Meter einschränken und einem die Orientierung nehmen. Wattwanderung bei Nebel ist tabu. Pricken können eine Orientierungshilfe sein. Sie sind umgekehrte Besen oder Zweigbündel, die im Watt stecken und den Weg weisen.
verborgene Gefahren im Watt
Neben dem Wasser und dem Wetter gibt es auch im Watt selbst einige Tücken. Schlick- und Baggerlöcher sind lose Schlickfelder, in denen man mit den Beinen oder dem ganzen Körper einsinken kann. Sie sind schwer zu erkennen und aus ihnen zu entkommen ist ohne Hilfe kaum möglich.
Muscheln sind messerscharf und können Schnittverletzungen verursachen. Eine Wattwanderung sollte nicht barfuß gelaufen werden.
Wattwanderung ist ein tolles Erlebnis. Eine gute Vorbereitung ist wichtig. Wir empfehlen eine Tour mit einem zertifizierten Wattwanderführer:in.
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